Alte Helden verlassen nach und nach den Ort ihres beruflichen Wirkens

Titelbild: V. Stahl (lks.) im Kreise seiner Musikkollegen Stefan Groh (m.) und Michael Ernst (re)

Thomas Boiselle und Volkhard Stahl schon fast ein Jahr im Ruhestand

Wie überall im Leben sieht man auch an der Augustinerschule die Zeit vorbeirauschen. Und plötzlich sind Leute nicht mehr da, die irgendwie immer da gewesen zu sein scheinen.
Zwei absolute Säulen des Schullebens – in ganz unterschiedlichen Fachbereichen – sind schon fast ein Jahr nicht mehr aktiv tätig. Und auch wenn das Leben am Friedberger Gymnasium scheinbar ganz normal weitergegangen ist: Diese Persönlichkeiten mit ihrer Erfahrung und ihrem Charisma fehlen.

Thomas Boiselle bei seinen Abschiedsworten

Die Rede ist von Volkhard Stahl, einem der musikalischen Köpfe der „August“ der vergangenen Jahrzehnte, und Thomas Boiselle, dem Sprachgenie, dem einer seiner ehemaligen Schulleiter, Eckhard Immig, bei der Verabschiedungszeremonie den Namen „Mister Fremdsprache“ gab.

Jener verbrachte insgesamt sensationelle 36 Jahre im Herzen Friedbergs, wo er die Fächer Französisch, Spanisch und Russisch unterrichtete. Dass er seinen Spitznamen völlig zu Recht trägt, zeigt unter anderem die Tatsache, dass er viele Jahrzehnte als Landesbeauftragter für den Fremdsprachenwettbewerb in Hessen tätig war, weshalb er auch über die Grenzen der Kreisstadt hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad besaß. Diese Auseinandersetzung mit Sprache bot er seinen Schülerinnen und Schülern begeistert an, unter anderem auch mittels des Schreibwettbewerbs der Deutsch-Französischen Gesellschaft.
An der Schule setzte er sich besonders für die Belange von Französisch als 1. Fremdsprache ein und hatte laut Immig entscheidenden Anteil daran, dass dieses seit 1979 bestehende Angebot bis heute erhalten geblieben ist.
Auf die Theorie blieb sein Wirken jedoch nie beschränkt; er machte Europa für die ihm Anvertrauten erlebbar, indem er etwa am Euroscola-Programm des Europäischen Parlaments in Straßburg teilnahm, das fortgeschrittenen (im Wettbewerb erfolgreichen) Klassen ermöglicht, jenes Parlament zu besuchen.
Immig beschrieb Thomas Boiselle als „zurückhaltend, bescheiden, aber leidenschaftlich“. Vermutlich ist jene Bescheidenheit der Grund, warum die genaue Zahl der Fremdsprachen, die er spricht, nicht bekannt ist. Er selbst spricht von sieben, die er beherrscht, darunter auch Italienisch und Serbokroatisch: Verständigen kann er sich in weitaus mehr Sprachen, und er versteht wohl noch viel mehr.

Ehemaliger Schulleiter Eckhard Immig (lks.) verabschiedet V. Stahl

Volkhard Stahl verbrachte 30 Jahre an der Augustinerschule, wo er evangelische Religion und Musik unterrichtete. Für Letztere stand er an der ASF „wie praktisch kein Zweiter“ (mit Ausnahme vielleicht des kurz nach seiner Pensionierung viel zu früh verstorbenen Wolfgang Kammel), so Eckhard Immig. Seit Beginn seiner Zeit an der Schule stand er als Nachfolger des legendären Willi Stoll am Dirigentenpult des Orchesters, mit dem er alljährlich in der Heilig-Geist-Kirche das Publikum mit dem großen das Schuljahr abschließende Konzert begeisterte. Seinem Ensemble, dem er ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit und damit eine Verbundenheit mit der Schule über das Abitur hinaus vermittelte, eröffnete er ebenfalls Auslandserfahrungen. 1996 initiierte Stahl die Partnerschaft mit einer Schule im tschechischen Krnov, so dass daraus regelmäßige Besuche und Gegenbesuche resultierten. Außerdem gab es unter seiner Führung Fahrten nach Griechenland und sogar nach China, Erlebnisse, die die beteiligten Orchestermitglieder wohl nie vergessen werden. 2003 setzte er sich federführend für die Einführung des Musikalischen Schwerpunkts an der Augustinerschule ein, der ebenfalls heute noch als prägendes Merkmal der Schule im Fächerangebot verankert ist.
Am Verabschiedungstag durfte er ein letztes Mal (unvorbereitet!) „sein“ altes Orchester, das ihm zu Ehren auf dem Schulhof aufspielte, dirigieren. Zwei ehemalige Orchestermitglieder, die mittlerweile mit der Musik ihr täglich Brot verdienen, Jennifer Kreßmann und Felix Sheng (beide Abitur 2008), waren eigens angereist, um für Volkhard Stahl ein kleines Konzert (Gesang und Piano) zu geben.

Volkhard Stahl bei seinem letzten Dirigat

Nach vierzehn Jahren ASF zog es ferner die Englisch- und Französischlehrerin Ankica Bonnert in ihre alte Heimat nach Ulm zurück, während Friederike Moog mit ihren Fächern Englisch, Sport und Erdkunde nach neun Jahren aus familiären Gründen an die Butzbacher Weidigschule ging. Beiden fiel der Abschied sichtlich schwer; dennoch verließen sie das Friedberger Gymnasium mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Auch nach einem knappen Jahr Abwesenheit erinnert man sich an der Schule noch gerne und auch etwas wehmütig an die vier engagierten, kompetenten und herzlichen Kolleginnen und Kollegen.

Heiko Weber