Vieles läuft gut am Friedberger Gymnasium… / …verlangt aber allen Beteiligten einiges ab.
Förmlich mit Lob überschüttet werden derzeit die Bediensteten der Augustinerschule, was dahingehend bemerkenswert ist, dass aktuell in vielen Medien kein gutes Haar an den Damen und Herren, die für die Vermittlung von Bildung verantwortlich sind, gelassen wird. Selbst das Nachrichtenmagazin “Focus”, für gewöhnlich nicht der übermäßigen Polemik verdächtig, stellte in Anlehnung an das Gerhard Schröder-Zitat aus der Zeit, bevor er Bundeskanzler wurde, die provokative Frage “Faule Säcke?” in Bezug auf Lehrkräfte.
Dass dies auf die Lehrerinnen und Lehrer des Friedberger Gymnasiums nicht zutrifft, scheint außer Frage zu stehen. Untermauert wird das durch zahlreiche Zuschriften vieler Eltern, die die Schulleitung in den letzten Wochen erreicht haben. Hier ist die Rede davon, dass die Augustinerschule viele gute Lehrkräfte habe oder auch, dass die aktuelle Form des Unterrichts durchweg gut strukturiert sei, wobei der zugrunde liegende Stundenplan dabei helfe, die Kinder sehr pünktlich zum Arbeiten zu animieren.
Olaf Rieck, seines Zeichens Schulelternbeirats-Vorsitzender an der ASF, der ebenfalls ein umfangreiches Feedback erhalten hat, fasst die positiven Aspekte aus Elternsicht mit folgenden Begriffen zusammen: “Regelmäßigkeit, Verlässlichkeit, Struktur, Anwesenheitspflicht sowie ein Stundenplan, der voll durchgezogen wird.”
Besonders bemerkenswert sei für ihn ferner, dass er “seit dieser Distanzphase null Beschwerden von Eltern” erhalten habe. Auch in den unteren Klassen, für die der Online-Unterricht eine größere Herausforderung darstelle, habe es “ausdrückliches Lob” gegeben. Dieses hohe Maß an Zufriedenheit habe sogar schon dazu geführt, dass Rieck Anfragen von Eltern, deren Kinder andere Schulen besuchen, erhalten habe, warum es an der Augustinerschule so gut laufe.
Er führt als einen Hauptgrund Folgendes an: “Für die Elternschaft ist es sehr offensichtlich, dass die Schule die Zeit zwischen den beiden Lockdowns dazu genutzt hat, die Lehrer für den Einsatz von Videokonferenzplattformen fit zu machen. Als Resultat kann man sehen, dass diese jetzt flächendeckend und wie selbstverständlich von den Lehrern eingesetzt werden.” Damit einher gehe “das außergewöhnliche Engagement der Lehrerschaft”, das Rieck hervorgehoben wissen möchte.
Laut einem anderen Elternteil habe die ASF “die Zeit über den Sommer hinweg herausragend genutzt, um die technische Infrastruktur erheblich zu verbessern” und so “das Online-Lernen für die Kinder in geordneten Bahnen viel besser zu gestalten.”
Das konsequente Durchziehen der Videokonferenzen stelle auch für Eltern eine erhebliche Unterstützung beziehungsweise Entlastung dar, da sie nur selten um Hilfe gebeten würden, anders als beispielsweise im ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Betont wird in diesem Zusammenhang die Umsetzung von unterschiedlichen Methoden wie beispielsweise das Arbeiten in virtuellen Gruppenräumen.
Das alles zu hören, ist für die Schule sehr erfreulich, kommt aber auf der anderen Seite nicht von ungefähr, da von den Lehrkräften sowohl ein erhöhtes Maß an Arbeitsaufwand als auch an Konzentration nötig ist, welches die Anforderungen für den gewiss ebenfalls nicht stressfreien Präsenzunterricht noch einmal übersteigt. In einem Klassenraum im Schulgebäude lassen sich unterschiedliche Methoden leichter umsetzen, um mehr Abwechslung zu garantieren. Auch ist man dort nicht so abhängig von der Technik. Außerdem hat das oben zitierte “Fitmachen” für das Arbeiten mit Videokonferenzplattformen zeitintensive Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erfordert.
Hinzu kommt der Spagat zwischen Präsenz- und Onlineunterricht für viele Lehrerinnen und Lehrer, denn für den Abiturientenjahrgang gab es auch während des Lockdowns Unterricht vor Ort. In dieser Woche kommt nun der Wechselunterricht für die Jahrgänge 5 und 6 hinzu.
Der Präsenzunterricht für die Q4 verlangt den Beteiligten ebenfalls einiges ab, denn die Lerngruppen sind häufig in zwei benachbarten Räumen untergebracht – oder in sehr großen: So werden auch einige Kurse in der Aula beschult, was hygienetechnisch hervorragend ist, die Schülerinnen und Schüler aber ziemlich verloren wirken lässt.
Einige Eltern sehen den Onlineunterricht den Präsenzveranstaltungen gegenüber sogar im Vorteil, denn zuhause seien die Schülerinnen und Schüler nicht so abgelenkt. Die hier Angesprochenen selbst sprechen ihrerseits insgesamt “von einer hohen Zufriedenheit und guten Lernfortschritten”. Die überwiegende Mehrheit der Kommentare sind positiv – ein Elternteil redet gar von “traumhaftem Arbeiten” – eine Einschätzung, die für die Betroffenen wahrscheinlich dann doch ein Stück zu weit gehen dürfte. Dennoch werden auch von Schülerseite Vergleiche zu Geschwisterkindern angestellt, die andere Schulen besuchen und dort weitaus mehr auf sich allein gestellt seien.
Trotz allen Lobes finden sich auch kritische Stimmen in der Schülerschaft, denn vielen sind sechs Stunden im Angesicht des Rechners doch ein wenig zu viel. Einige wünschen sich in manchen Stunden ein wenig mehr Variation mit ausgedehnteren Stillarbeitsphasen.
Entgegen kommen den Kindern und Jugendlichen dabei die (naturgemäß auf dem Stundenplan nicht gerade üppig vertretenen) Sportstunden, welche sie in diesem Lockdown auch zuhause körperlich aktivieren, was speziell im Winter und unter Corona-Bedingungen von unschätzbarem Wert ist. Die Sportler setzen dazu sehr kreative Ideen ein; so haben Kinder in der Unterstufe einen Heidenspaß daran, auf dem Rücken liegend mit ihren Füßen Klopapierrollen in einen auf der Brust stehenden Karton zu befördern.
Da es trotz aller positiver Aspekte während der Videokonferenzen gelegentlich zu Störungen kam (Stummschalten anderer, unbefugtes Eindringen in Konferenzen, Bildaufnahmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie anschließendes Erstellen von Stickern), schickte die Schulleitung zwei Kolleginnen und einen Kollegen in die Klassen, um dort das richtige Verhalten während des virtuellen Unterrichts zu thematisieren. Hier wurden auch die oben zitierten Schüleraussagen gesammelt.
Durch den Wechselunterricht steigen die Anforderungen an die Lehrkräfte noch erheblich, denn die jeweils zuhause befindlichen Schülerinnen und Schüler müssen auch beschäftigt werden. Hier muss die Planung so abgestimmt werden, dass möglichst alle aus der Klasse alles mitbekommen, es aber trotzdem nicht doppelt so lange dauert, bis der Stoff vermittelt worden ist. Dazu bedarf es eines verstärkten Austauschs innerhalb des Kollegiums, was grundsätzlich pädagogisch immer sinnvoll und wünschenswert ist, aber ökonomisch gesehen noch mehr Zeit beansprucht.
Dabei zeigt sich ein Vorteil der sehr verantwortungsbewussten Maßnahme des nun ehemaligen Schulleiters Martin Göbler, auf alle Lehrerinnen und Lehrer aus den Risikogruppen zu Beginn des Schuljahres dahingehend eingewirkt zu haben, die Schule zu ihrer eigenen Sicherheit von zuhause aus zu unterstützen, anstatt vor Ort eingesetzt zu werden. Diese können nun von der Schulleitung so eingesetzt werden, dass sie zumindest einige der Online-Stunden begleiten und nach den Vorgaben der Fachlehrkräfte gestalten, um den Kindern Hilfestellung zu geben.
Es handelt sich also um spannende Herausforderungen, die an allen Wetterauer Schulen – und nicht nur dort – zu bewältigen sind. Angesichts dieses Mammutprogramms erscheint es wenig angebracht, im Sinne Gerhard Schröders zu polemisieren.
Heiko Weber