Was pensionierte Lehrkräfte so treiben: Saxophon, Italienisch, Radfahren halten Walter Blume fit
Vor einem Jahr wurden an der Augustinerschule vier Lehrkräfte in den Ruhestand verabschiedet, die zusammen fast 100 Jahre am traditionsreichen Friedberger Gymnasium unterrichtet hatten. Dass darüber nicht berichtet wurde, ist fast ein Skandal und Grund genug, die nun schon fast als professionell zu bezeichnenden Pensionäre zu besuchen und sie zu fragen, was sie so treiben – und auch ihr Wirken an der Schule nachträglich zu würdigen.
Das letzte Kapitel der vierteiligen Mini-Serie beschäftigt sich mit Walter Blume. Der Englisch- und Sport-Pädagoge, gebürtiger Westfale, tat seine ersten Schritte im Hessenland in Limburg, wo er sein Referendariat absolvierte. 1982 kam er dann bereits ans altehrwürdige Friedberger Gymnasium, wo er mit Ausnahme einer einjährigen Abordnung an die Bad Nauheimer Ernst-Ludwig-Schule bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn bleiben und 2019 gar sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern sollte. Im Rahmen des Sportunterrichts setzte er sich in den 80er-Jahren für die Etablierung von Badminton im Lehrplan ein, begleitete regelmäßig die damaligen Oberstufenschülerinnen und -schüler auf die in den 80er- und 90-er Jahren zum Inventar gehörende Skifreizeit nach Leogang und betreute diverse Gruppen im Rahmen von “Jugend trainiert für Olympia”. Im Kollegium und in der Schülerschaft galt der Liebhaber flotter Cabrios als sehr geradliniger Mensch, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt und ein Händchen für schwierige Klassen hatte, speziell solche in der Pubertät, um die der eine oder andere Kollege auch gerne mal einen großen Bogen machte. Gegen Ende seiner Dienstzeit machte Blume der Körper in Form des Rückens etwas zu schaffen, so dass er sich sogar einer Operation unterziehen musste, die den ehemaligen Oberliga-Handballer und Tennisspieler für einige Zeit außer Gefecht setzte.
Das alles hat er gut überstanden und ist heute (fast) so fit wie eh und je. Drei- bis viermal die Woche steigt er aufs Rad, um ausgiebig durch den Taunus zu fahren. Dazu steht er auch früh auf, und zwar “weiterhin um 6.30 Uhr”, das aber hauptsächlich, weil seine Frau Marlies noch berufstätig ist. Fremdsprachenaffin, wie er nun mal ist, ist er dabei, sein Italienisch zu vertiefen. Das geschah zumindest in Vor-Corona-Zeiten auch durch einige Reisen ins Land, wo die Zitronen blühen. Für ein ganzheitliches Erlebnis, sagt Blume mit einem Augenzwinkern, gehöre zum Italienischlernen nicht nur der Spracherwerb, sondern auch der Konsum der köstlichen italienischen Weine. Dazu passt natürlich gediegene Musik – und da hat der Steely Dan-Liebhaber das Saxophon-Spielen wieder aufgenommen, und zwar unter professioneller Anleitung.
An seine Zeit in der Schule denke er gerne zurück, keinesfalls jedoch an die seiner Meinung nach häufig sinnfreien bürokratischen Anforderungen. Was dem glühenden Anhänger von Borussia Dortmund fehle, sei das “Geplänkel” mit Kollegen aus dem Bereich “Betreutes Denken” (ein Wimpel mit der Aufschrift steht auf dem Tisch, an dem auch Walter Blume saß). Dabei sei es häufig um Fußball gegangen, aber der Ex-Lehrer habe es sich auch zum Hobby gemacht, mit einer ebenfalls in Butzbach wohnhaften Latein-Kollegin die Kontaktanzeigen in der heimischen Presse zu lesen und zu kommentieren.
Was ihn immer noch beeindrucke, wenn er an seiner ehemaligen Wirkungsstätte vorbeischaue, sei der Anblick des imposanten alten Gebäudes, wenn er hinter der Turnhalle um die Ecke biege – nur die relativ neue und moderne Uhr, die passe nicht an den Altbau: “Das habe ich dem Chef aber damals schon gesagt.”
Heiko Weber