33. Erfinderlabor: Junge MINT-Generation hat die Zukunft fest im Blick

Gent Kastrati aus Friedberg forschte in Darmstadt zu Hochleistungsmaterialien für die Energiewende

Bensheim/Darmstadt. Um die großen Herausforderungen der Zukunft wie Klimawandel und Digitalisierung zu meistern, will das Bundesministerium für Bildung und Forschung mehr Kinder und Jugendliche für die relevanten MINT-Fächer begeistern. Die Experten sind sich einig: Kompetenzen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind für die Entwicklung neuer Technologien, Methoden und Materialien elementar. In Darmstadt haben jetzt 16 hessische Oberstufenschülerinnen und -Schüler die Herausforderung angenommen und sich eine Woche lang intensiv mit prominenten naturwissenschaftlichen Themen auseinandergesetzt. Einen Ansatz, den das Zentrum für Chemie (ZFC) bereits seit der Gründung vor 20 Jahren mit seinen Projekten verfolgt.

Im Zentrum des 33. Erfinderlabors standen moderne Hochleistungsmaterialien für eine erfolgreiche Energiewende. Das ZFC hatte unter 235 Bewerber:innen mit herausragenden Schulleistungen aus 85hessischen Schulen jeweils acht Schülerinnen und Schüler aus 16 Schulen ausgewählt, die in einem praxisnahen Wissenschafts-Workshop gemeinsam mit Profis aus Unternehmen und Hochschule tief in die Materie einsteigen konnten. 

Mit dabei Gent Kastrati (18) von der Augustinerschule in Friedberg: „Das Erfinderlabor hat mir persönlich sehr bei der Berufsorientierung geholfen. Durch das Arbeiten an der TU und den engen Austausch mit Experten konnte mir ein gutes Bild von der Arbeit im MINT-Bereich verschaffen, das bei Gesprächen mit weiteren Studierenden noch verstärkt wurde.“

Die Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen ist nicht nur ein Topthema von immenser gesellschaftlicher Relevanz, sondern auch eine Generationenfrage: gerade junge Menschen haben einen ganz besonderen Blick auf die Energie- und Klimapolitik.

Geforscht wurde am Institut für Materialwissenschaften an der TU Darmstadt in enger Kooperation mit der Merck KGaA – eines der führenden Wissenschafts- und Technologieunternehmen weltweit. Dort fand am Freitag auch die Abschlussveranstaltung statt. 80 Gäste aus Schule, Hochschule und Verbänden sowie Angehörige füllten bei Merck das Conference Center bis auf den letzten Platz, um das Finale mit den Präsentationen der vier Schülerteams zu erleben. Mehr Zuhörer:innen konnten trotz großer Nachfrage nicht zugelassen werden.

Was ist effizienter: Wasserstoff oder Batterie? Wie lassen sich Batteriespeicher mit einer höheren Energiedichte herstellen? Und welches Oberflächenmaterial ist geeignet, um Solarzellen eine wasserabweisende und kratzfeste Hülle zu bieten, ohne deren Leistung zu mindern? Komplexe Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Im engen Austausch mit Betreuern aus der Hochschule haben die Jungforscher in weitgehend eigenständiger Laborarbeit eindrucksvolle Ergebnisse erzielt und diese genauso lebendig wie stringent und nachvollziehbar erläutert. Die Experten waren sich einig: das Erfinderlabor war auch in seiner 33. Ausgabe wieder eine der hellsten Bühnen für den hessischen MINT-Nachwuchs.

„Die Naturwissenschaften sind eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft“, betonte Dr. Thomas Eberle, Head of Educational Partnerships and Strategic Projects Sustainability bei Merck. Er beobachte mit Freude, wenn junge Menschen von Forschung und Technik fasziniert seien. Das Erfinderlabor sei gleichsam ein Fest der MINT-Disziplinen, so Eberle im Conference Center auf dem Merck-Campus. Ein Standort mitten in einem artenreichen Biotop, wie Prof. Dr. Heribert Warzecha hinzu-fügte. Der Vizepräsident für Studium und Lehre sowie Diversität an der TUD verwies auf den vitalen Dialog zwischen Hochschule, Forschung und Industrie, der in der Wissenschaftsstadt Darmstadt besonders konstruktiv und ergebnisorientiert geführt werde. „Hier entstehen Lösungen für Morgen.“

Im Schulterschluss mit Merck und dem Zentrum für Chemie gelinge es immer wieder auf hervorragende Weise, bei jungen Menschen Erfindergeist, Neugier und methodisches Verständnis zu wecken und zu fördern. Hinzu komme die interdisziplinäre Ausrichtung des Workshops, der sich fachlich differenziert mit brandaktuellen Themen beschäftige. „Genauso funktioniert Wissenschaft“, so Warzecha in Darmstadt.

Auch ZFC-Vorstand Dr. Thomas Schneidermeier zeigte sich von der Motivation und den plastischen Präsentationen der Schülerteams beeindruckt. Ein zentraler Anspruch des Erfinderlabors sei ein Wissenstransfer zwischen Hochschule und Schule an einer Schnittstelle, die das ZFC seit nunmehr 20 Jahren mit innovativen Projekten und didaktischen Konzepten begleitet. Doch dabei geht es nicht nur um Wissen an sich, sondern auch darum, bei Schülerinnen und Schülern eine kritische Bewertungs-kompetenz für den Problemraum Treibhauseffekt und den Lösungsraum Klimaschutz zu entwickeln. Dazu werden Unterrichtsmaterialien und Erklärvideos angefertigt und mit klassischen Lerninhalten gekoppelt, um den MINT-Unterricht durch die Integration von gesellschaftlichen Herausforderungen zu bereichern und aufzuwerten.

Ein Ansatz, dem auch das vor zwei Jahren begründete ZFC-Format „Frag die Minties“ folgt. Ehemalige Erfinderlabor-Teilnehmer:innen, heute junge MINT-Studierende, produzieren kurze Erklärvideos für YouTube und Instagram als bild-starke Unterstützung der eigens vom ZFC entwickelten Unterrichtssequenzen. Benjamin Kunkel, Selina Müller und Clara Schmidt sowie Joelina Gärtner und Pablo del Rio (beide haben den Tag auch moderiert) haben ihr Projekt in Darmstadt erläutert. Sie werden auch die Themen der Abschlussvorträge in unterhaltsamen Clips visualisieren, die das Lernen in der Schule erleichtern können.

Für die Teilnehmer:innen war es eine anstrengende, aber auch sehr kurzweilige und lehrreiche Zeit: Sie hatten die Möglichkeit, in den Labors der TU Darmstadt vieles zu entdecken, was im schulischen Lehrplan keinen Raum findet. Durch die intensive Betreuung in den Projekten haben die Jugendlichen viel gelernt und trotzdem genügend Freiraum genossen, um selbstständig zu arbeiten.

Neben spannenden Einblicken in die wissenschaftliche Arbeit an wurde auch der Austausch mit Studenten, Doktoranden und Post-Docs aus dem Fachbereich Materialwissenschaft allgemein als sehr wertvoll kommentiert. Auch die Werksführung bei Merck bot interessante Einblicke und wurde von vielen als Bonbon der Woche ausdrücklich gelobt. Aber auch der Aspekt der Berufsorientierung ist eine feste Komponente des Formats: die Gäste der Abschlussveranstaltung erlebten eine kurze Talkrunde mit Dr. Anja Jatsch (Merck) und Lisa Nguyen, die in Darmstadt Materialwissenschaften studiert: „Ein ideales Fach für alle, die mehrere Naturwissenschaften lieben und sich nicht festlegen wollen” 

Durch das direkte Feedback der Experten konnten die Teilnehmer:innen viele wert-volle Tipps mit ins künftige Berufsleben mitnehmen. Prof. Dr. Lambert Alff (TU Darmstadt) aus dem Fachbereich Materialwissenschaften erkannte nicht nur eine Menge Potenzial bei den Jugendlichen, sondern betonte auch den Auftrag der nachfolgen-den Forschergeneration: „Bei vielen neuen Technologien sind noch Fragen offen. Wir brauchen guten Nachwuchs, um an gesellschaftlich wichtigen Lösungen zu arbeiten.“ Weitere Feedbacks kamen von Prof. Dr. Robert Stark (Oberflächenphysik) und Gregor Disson vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Hessen, der das Erfinderlabor seit vielen Jahren mit großem Interesse begleitet. Das VCI ist einer der längsten Kooperationspartner des ZFC.

Dr. Thomas Schneidermeier dankte allen Sponsoren und Unterstützern sowie den Betreuern aus den einzelnen Fachbereichen, ohne die der Workshop in dieser Dichte und Tiefe nicht stattfinden könnte. Er organisiert das Erfinderlabor seit 2005 in enger Zusammenarbeit mit Industrie, Hochschulen und Verbänden. Die Jahre der Pandemie hat das Format durch digitale und hybride Alternativen gut überbrücken können, erläutert der Vorstand. Das Interesse an einer Teilnahme sei erfreulicherweise ungebrochen hoch. „Wir müssen aus sehr vielen glänzenden Bewerber:innen 16 auswählen – da ist auch ein wenig Glück dabei.“ Man sei froh, jetzt wieder ohne Distanzen gemeinsam forschen und sich austauschen zu können, so der Lehrer am Bensheimer Goethe-Gymnasium, der seit Herbst 2022 von Magdalena Schmitt als neuer Projektleiterin für die Bereiche Bildung und Erneuerbare Energien unterstützt wird. Zum Abschluss gab es Teilnahmeurkunden und Geschenke für alle Jungforscher:innen. Darunter ein Jahresabonnement der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft.

Seit 2003 entwickelt und organisiert der gemeinnützige Verein ZFC in Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Ministerien Projekte, um – über die Vermittlung einer naturwissenschaftlichen Grundkompetenz hinaus – gesellschaftlich relevante Themen wie Klimaschutz, Energiewende und Ressourceneffizienz in den Unterricht der MINT-Fächer zu integrieren und mit klassischen schulischen Inhalten zu verzahnen. Damit sollen fachliche Grundlagen für eine individuelle Meinungsbildung ermöglicht und Perspektiven für neue Berufsfelder ganz plastisch und konkret vermittelt werden.

Das Erfinderlabor ist Teil der ZFC-Initiative “Schule 3.0 – MINT for Future”. Sie zielt auf eine bessere berufliche Orientierung von Schüler:innen im MINT-Umfeld durch die Einbindung gesellschaftsrelevanter naturwissenschaftlich-technischer Themen in den Regelunterricht.