„Schreiben ist wie eine Therapie!“, „Die guten Geschichten kommen einfach so.“ Oder auch „Das ist die beste Möglichkeit, wenn man etwas loswerden möchte.“
Dies sind nur wenige der Zitate, die die Leidenschaft dreier junger Schriftsteller*innen offenbaren.
Norina Tondar, Helen Mehr und Ali Shaker sind drei der aktuellen Preisträger*innen des OVAG Literaturwettbewerbs, die am Freitag, dem 3. Juni 2022 an einer von der OVAG betreuten Lesung an der Augustinerschule, organisiert von Sabine Dückhardt, teilgenommen haben, um die Schüler*innen der E-Phase in ihre unterschiedlichen Geschichten eintauchen zu lassen.
Dabei wurde nicht nur deutlich, wie verschieden die Möglichkeiten des Erzählens sein können, sondern auch welch‘ umfangreiches Spektrum spannender Themen existiert.
Der erste unserer Gäste, die zwanzigjährige Norina Tondar, führte uns in ihrer pointierten Geschichte in eine Altbausicherheitswohnung. Geschickt kreierte sie kleine Bilder, die den Zuhörern*innen im Gedächtnis bleiben und ihre Absichten verstärken: Ärzte, ein roter Knopf, irre Träume, tanzende Personen oder eine graue Welt verdeutlichen eine Orientierungslosigkeit, eine verlorene Identität. Darstellen möchte die Autorin ihre Wahrnehmung von „Isolation“, die sie als „nicht wissen, wann es vorbei ist“ definiert. Mit ein wenig Sarkasmus und in Form eines inneren Monologs gelingt es ihr gekonnt, eigene Beobachtungen und Erfahrungen mit dem Publikum zu teilen.
Im Kontrast dazu steht Helen Mehrs (15) illustrative und mitreißende Kurzgeschichte, die sich in das Genre „Fantasy“ einordnen lässt. Dort gelangt ein Mädchen namens Alina durch eine geheimnisvolle Kirche in eine scheinbar andere Welt. Allmählich erfährt sie etwas über die dort lebenden „Mondwandler“, „Zeitwanderer“, „Magier“ und anderen übermenschlichen Kreaturen. Später stellt sich heraus, dass sie sich nicht in einer anderen Welt, jedoch in der Vergangenheit befindet, und die Mondwandler vor ihrem kommenden Schicksal des Aussterbens warnen soll. Die Verwendung bekannter Motive zeigt, dass sich Helen sehr für mystische Geschichten interessiert. Dies motivierte sie dazu, auch eigene Fantasiewesen zu entwerfen.
Zufällig im Deutsch-Unterricht auf den OVAG-Literaturwettbewerb gestoßen ist Ali Shaker (23), der in seiner Kurzgeschichte auf eine authentische, rührende, aber zugleich auch humorvolle Weise ernste Themen wie Rassismus, Armut und Familienverhältnisse aufgreift. Er stellt das Leben von Moussa dar, einem dunkelhäutigen Jungen aus dem Wedding, der sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt und sich deswegen vom Fußballspielen in ein gefährliches Terrain verläuft, stiehlt und in Schlägereien gerät. Trotz seines schwierigen Lebens findet er einen Rückhalt in der Liebe zu seiner kleinen Schwester. Mit dem sich wiederholenden Satz: „Wir sind nicht in Hollywood“, offenbart Ali die Schattenseiten des Lebens, die er und enge Freunde selbst erfahren mussten.
In der Aula herrschte eine gespannte Stille; der Fokus lag auf den Vorlesern*innen, welche auf der Bühne durch die Beleuchtung in den Mittelpunkt gerückt wurden. Der ganze Jahrgang der E-Phase hörte aufmerksam zu und wurde durch die Geschichten der Gäste und deren gelassener Eindringlichkeit der Inszenierungen nachdenklich gestimmt. Bei einer anschließenden Fragerunde, geleitet von Redakteur Jan Michel Kaufmann, wurde deutlich, wie viel den Autoren*innen das Schreiben bedeutet. Es sei eine Möglichkeit, seine Gedanken zu verarbeiten und seiner Kreativität freien Raum zu gewähren. Wichtig sei nur, sich nicht dazu zu zwingen, da Schreiben keine Verpflichtung darstellen sollte.
Die Lesung endete mit einigen Informationen über den OVAG Literaturwettbewerb, die das Publikum zu einer eigenen Teilnahme ermutigen. So wurde betont, dass es darum ginge, Inhalte und stimmige Bilder zu kreieren und keine Formalien zu erfüllen. Jede Form von Literatur sei geeignet, Einschränkungen bei Themen, Schreibstil oder Länge gäbe es kaum. Es sei auch nicht entscheidend, eine perfekte Geschichte zu schreiben, da den 24 Preisträgern*innen ein viertägiger Workshop ermöglicht werden würde, bei dem sie mit verschiedenen Lektoren an ihren Texten arbeiten und dabei wichtige Erfahrungen sammeln würden.
Der OVAG Literaturwettbewerb sei eine gute Anlaufstelle, wenn man „etwas loswerden“ wolle und stelle eine Chance dar, sein Talent zu entfalten. Jeder könne Sieger der nächsten Runde werden. Vielleicht ja auch ein Schüler der E-Phase der Augustinerschule, den die gelungene Lesung zu einer Teilnahme motiviert hat. Der diesjährige Einsendeschluss ist bis zu dem 15. Juli und es kann bis zum 24. Lebensjahr teilgenommen werden.
Anaïs Jost und Naja Florschütz